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Die Zukunft ist abfallfrei

Thailand - Behind the postcard - Pollution in Paradise

Thailand - Behind the postcard - Pollution in Paradise, © abaca

10.04.2018 - Artikel

Der Mensch kauft, konsumiert und entsorgt. Doch eine Welt ohne Müll ist möglich, sagen die Anhänger der C2C-Bewegung.


Vintage, Shabby Chic, Second Hand, Recycling und Upcycling sind in. Gebrauchtkaufhäuser, Repair-Cafés und Kleidertauschbörsen haben Hochkonjunktur - nicht nur bei Bedürftigen und Preisbewussten. Es sind umweltaffine Zeitgenossen, die es ablehnen, T-Shirts für fünf Euro zu kaufen, weil sie die Geschichten kennen, die hinter den Produktionsabläufen stecken: Sie erzählen von Ausbeutung, Verschwendung von Rohstoffen, Müllbergen und immensen CO2-Emissionen durch Produktion und Transport. Besonders die unter 30-Jährigen haben den Mehrwert der Wertstoffe erkannt und das Prinzip des Teilens für sich entdeckt.


Keine Abfälle - nur nützliche Wertstoffe

Doch selbst wenn die gebraucht gekauften Möbel, Fahrräder aus zweiter Hand, die PKW aus der Carsharing-Flotte oder die getragene Kleidung vom Flohmarkt ausgedient haben, landen Altkleider, Holzschränke und Metallteile doch irgendwann auf dem Schrott, der Deponie, im Hochofen der Müllverbrennungsanlage. Dieses ressourcenverbrauchende Prinzip, bei dem Werkstoffe nur einmal verwendet werden, bezeichnen Umweltwissenschaftler als „from cradle to grave“ - von der Wiege zur Bahre.

„From Cradle to Cradle“ (von der Wiege zur Wiege) beschreibt das völlige Ende der Entsorgungskultur. Die Anhänger wollen die Rohstoffe dem Wertstoffkreislauf vollständig zurückführen und damit effektiv Umweltschutz praktizieren. Vorbild ist die Natur. Sie kennt keine Abfälle - nur Nahrung. Und auch die Menschen sollten alles Benutzte wieder einem biologischen oder technischen Kreislauf zuführen, sagt Michael Braungart. Der Chemiker hat Cradle to Cradle, kurz C2C, erfunden.


Braungart als Pionier einer neuen Denkschule

Der Professor für Verfahrenstechnik will keine Ökodiktatur. Aber er sagt, dass das Weltbild der Deutschen geprägt sei von einer Diktatur. Der Begriff „Nachhaltigkeit“ ziele auf Fehlverhalten in der Vergangenheit ab und darauf, Schlimmeres in der Zukunft zu verhindern. So kritisiert er Unternehmen, die nachhaltiges Handeln thematisieren, Berichte über umweltfreundliches und soziales Verhalten verfassen, vorrangig aus Gewissensgründen. „Diese Firmen perfektionieren ihre Kommunikation, aber nicht ihre Handlungen.“

Nach dem Inhaber der Umweltberatungsfirma EPEA könne Umweltschutz nur funktionieren, wenn Produkte und Prozesse vom Anfang her gedacht und im Hinblick auf ihre gesamte Nutzungsdauer entwickelt werden. Abfall gibt es in Braungarts Verständnis nicht, nur biologische oder technische Rohstoffe. Waren wie Waschmittel, Autoreifen oder Schuhe, die durch Anwendung kaputtgehen und verrotten, werden zu Kompost und damit den biologischen Kreisläufen zugeführt.


Das Cradle to Cradle-Prinzip

Elektronische Produkte wie Fernseher, Kühlschränke oder Waschmaschinen gehen in technische Kreisläufe. Sie werden in Einzelteile wie Metalle und Kunststoff zerlegt und die Rohstoffe zu neuen Geräten verarbeitet. Ein einzelnes Produkt kann auch für beide Kreisläufe designt sein: Der Rahmen eines Fahrrades landet im technischen, der Reifen wird dem biologischen Kreislauf zugeführt.

Der Konsument zahlt bei diesem Denkansatz die Nutzung eines Gerätes oder die Dienstleistung und nicht die Ware, die nach Gebrauch an den Hersteller zurückgeht. Er zahlt für 10.000 Waschgänge oder 10.000 Stunden Licht, nicht aber für die Waschmaschine oder die Leuchtmittel. Der Produzent hätte ein Interesse daran, hochwertige Materialien zu verarbeiten und diese danach wiederzuverwerten.

Braungart sagt, bei den Produkten heutzutage werde erst der Preis optimiert, dann das Aussehen und schließlich die Stückzahl - ohne Rücksicht auf Gesundheit und Umwelt. Die Hersteller kalkulieren bis zum Verkauf und etwaigem Ablauf von Garantien. Und die Konsumenten entledigen sich durch den Gang zu den Mülltonnen ihrer Verantwortung. Doch alle müssten sich bewusst werden, dass nichts wertlos wird.

Auch Hollywood-Schauspieler Brad Pitt hat für das Buch „Cradle to Cradle“ geworben, das Braungart zusammen mit dem US-Architekten William McDonough verfasst hat. Braungart fordert Deutschlands Unternehmer zum Handeln auf, möchte erreichen, dass sie ihre Prozesse umstellen.


Mode auf den Kompost

In den USA sind bereits mehrere hundert Produkte nach den Normen von Cradle to Cradle zertifiziert. Und auch in Deutschland investieren Unternehmen - überwiegend aus der Textilbranche - in die Kreislaufwirtschaft. 2013 produzierte der Sportartikelhersteller Puma mit InCycle eine kompostierbare Kollektion: Sportschuh, Trainingsjacke und Rucksack bestehen komplett aus wiederverwertbarem Kunststoff, da andere Materialien wie Leder, Baumwolle und Gummi sowie deren Produktion und Transport mit einer großen Umweltbelastung einhergehen. Abgetragene Sportschuhe, Textilien und Zubehör konnten Konsumenten in den markanten roten Sammelbehältern mit der Aufschrift „Bring Me Back“ abgeben, die in Puma-Läden aufgestellt waren. Nach einem Wechsel im Topmanagement wurde die wegweisende Produktion wieder eingestellt.

Das Modehaus C&A war der erste Einzelhändler weltweit, der C2C-zertifizierte und voll kompostierbare T-Shirts auf den Markt brachte. Sie werden aus Bio-Baumwolle gewoben, der Energie- und Wasserverbrauch wird bei dem Prozess gering gehalten. Durch die Verwendung umweltfreundlicher Farben soll die Gesundheitsgefahren für Produzenten und Kunden minimiert werden. Denn nur unbelastete Stoffe und Produkte eignen sich für die Kreislaufwirtschaft.

Theoretisch können ausgetragene C2C-Kleidungsstücke dem Gartenkompost zugefügt werden, wo sie von Mikroorganismen zersetzt wird. Tatsächlich sollen solche Textilien in einer industriellen Kompostierung gelagert werden, wo sie über einen längeren Zeitraum gleichbleibenden Temperaturen ausgesetzt sind. Vielen Unternehmen ist die Organisation dieses Prozesses jedoch zu aufwendig.


Innovationen gefordert - neue kreislauftaugliche Produkte designen

Nach Cradle to Cradle müssen Hersteller beim Entwicklungsprozess auch die Phase nach der Nutzungsdauer miteinbeziehen. Die Verpackung ist per se nicht das Problem, sondern ihr Design. Es geht eher um die Frage: Was soll aus einem Produkt nach dem Gebrauch werden? Und darin liegt das Problem, denn aus den einzelnen Stoffen muss sich ein geschlossener Kreislauf realisieren lassen. C2C-Textilien sollten daher von einander trennbaren Materialien hergestellt sein, Knöpfe und Reißverschlüsse eingeschlossen. Ein Materialienmix kann nicht in Rohstoffe zurückverwandelt werden. Glas und Papier lassen sich dagegen einfach in Recyclingprodukte zurückführen.

Das Recycling von Kunststoffen ist schwieriger, weil sie aus vielen gemischten Kunststoffen bestehen. Die Firma Werner & Mertz macht erfolgreich vor, wie man Reinigerflaschen dem Wertstoffkreislauf zuführt. Die Hersteller der biologischen „Froschreiniger“ füllen die Flüssigkeit in PET-Flaschen ab. Diese werden ausnahmslos aus Altplastik, dem Recyclat, produziert, die Konsumenten in der Gelben Tonne oder dem Gelben Sack gesammelt haben.


Das müllorientierte Denken aus den Köpfen verbannen

Doch der Prozess, C2C durchzusetzen, scheint mühsam. Wenn auch Braungart und seine Familie das Prinzip propagieren. Braungarts Ehefrau Monika Griefahn war Greenpeace-Chefin in Deutschland und unter dem späteren Bundeskanzler Gerhard Schröder niedersächsische Umweltministerin (SPD). Heute ist sie als Vorsitzende des Cradle to Cradle-Vereins aktiv. Tochter Nora Sophie Griefahn agiert als Geschäftsführerin des gemeinnützigen Vereins. Gemeinsam veranstalten sie Kongresse, um Teilnehmer aus Wirtschaft und Gesellschaft vom C2C-Prinzip zu überzeugen.

„Menschen als Nützlinge auf der Welt verstehen, unseren derzeitigen Qualitätsbegriff und die Aufgabe der Wirtschaft überdenken. Wirtschaft und Umweltschutz dürfen nicht als Gegner handeln, sondern gemeinsame Ziele verfolgen“, argumentiert Nora Sophie Griefahn: „Das funktioniert jedoch nicht, wenn wir den Fußabdruck nur minimieren. Wir brauchen eine Welt, in der es selbstverständlich ist, nach C2C zu produzieren.“

Der Gesellschaft müsse klar werden, dass erst gar keine Schadstoffe in die Umwelt gelangen dürften und keine Rohstoffe verbraucht werden dürften, sondern dass man Produkte für Kreisläufe designen müsste.


C2C in die Mitte der Gesellschaft bringen

Wirtschaftswissenschaftler Tim Janßen, der zweite Geschäftsführer von Cradle to Cradle e.V., kennt das Problem, „dass so viele Leute nicht verstehen, wovon wir reden.“ So hätten selbst Umweltverbände die kompostierfähigen T-Shirts kritisiert. „Sie mahnten an, dass T-Shirts doch langlebig sein sollten. Natürlich sollen sie das. Sie sollen gefahrlos sein, sodass wir sie lange nutzen können. Der Stoff zerfällt doch nicht am Körper. Die Haltbarkeitsdauer und die anschließende Verwertbarkeit schließen sich doch nicht aus.“

Quelle: Deutschland.de


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